Verbalisierung
60. Festival Borštnikovo srečanje: Verbalisierung in der Fran-Žižek-Halle
Der umgekehrte Ödipus
Dies ist eine moderne Tragödie, in der die Gegenwart bereits zur Vergangenheit geworden ist. Das ruhige und erfolgreiche Leben eines Mailänder Kapitalisten auf einem Familienurlaub wird plötzlich von nichts anderem als einem Traum gestört. Sein Versuch, dessen Bedeutung zu verstehen, entwickelt sich zu einer Obsession mit der Kontrolle über seinen Sohn – eine Besessenheit, die immer destruktiver wird. Als der Vater seinen Sohn bittet, ihn zu töten – eine Art umgekehrter Ödipus – flieht der Sohn, doch am Ende holt ihn doch die Hand des Vaters ein. Damit kommt die Geschichte zum Stillstand, die Weitergabe der Welt zwischen den Generationen wird unterbrochen.
Im Epilog, zwanzig Jahre nach dem Mord, vegetiert der Vater als Bettler auf einem Bahnhof dahin und erzählt seine Geschichte wie ein ursprünglicher Histrion einem imaginären Zuhörer. Doch dies ist nicht nur die Geschichte eines einzelnen Vaters – es ist eine Erzählung über die unausweichliche Gewalt des Menschen, der um jeden Preis besitzen, wissen und alles verstehen will. Der Sohn verweigert sowohl alte als auch neue Morde und erschüttert damit die Gewissheit des Vaters, was in ihm einen zerstörerischen Impuls auslöst. So wie der Kapitalismus kann auch die patriarchale Gesellschaft keine Veränderung akzeptieren – sie fordert nur Zerstörung. Pasolini fängt in dieser Erzählung das menschliche Dasein in den unausweichlichen Fesseln des mythologischen Schicksals ein.
Tickets:
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